*Gemeinsame Erklärung nach der Ermordung Arkan Hussein Khalafs in Celle

*Gemeinsame Erklärung nach der Ermordung Arkan Hussein Khalafs in Celle*

Die Ermordung des 15-jährigen Êzîden Arkan Hussein Khalaf in Celle
hinterlässt tiefen Schmerz bei der Familie, sowie bei Freund_innen und
macht viele Menschen fassungslos. Nun braucht es eine ehrliche
gesellschaftliche Aufarbeitung der brutalen Tat: „Es muss über Rassismus
und Vorurteile gesprochen werden“, fordern verschiedene Organisationen
in einer gemeinsamen Erklärung.

Arkan Hussein Khalaf wurde am Dienstagabend brutal ermordet. Aus seiner
Heimat, dem Şengal im Nordirak, flüchtete er mit seiner Familie 2014
nach dem Völkermord an den Êzîden durch den IS. Wie viele Andere suchte
er hier Schutz vor Gewalt und Verfolgung und wurde dennoch am 7. April
von einem Deutschen in Celle ermordet.

Vor diesem Hintergrund hat die Tat unvermeidbar eine politische
Dimension. Sie erinnert an weitere Morde an Menschen mit migrantischem
Hintergrund. Genau deshalb muss in dieser Situation über Rassismus als
eine Motivation für diese tödliche Gewalt gesprochen werden. Auch wenn
es bislang keine Erkenntnisse dafür gibt, dass der Täter Daniel S. ein
organisierter Neonazi war, ist klar, dass er sich zumindest im Internet
mit rassistischen und antisemitischen Gedanken umgeben hat. Unter seinen
Facebook-Freund_innen befinden sich unter anderem auch Neonazis. Dies
bestätigten Recherchen von Zeit Online, die am Donnerstag veröffentlicht
wurden. Ähnlich wie bei den rassistisch motivierten Morden in Hanau wird
bei dem Täter eine Mischung aus rechter Ideologie und
Verschwörungstheorien erkennbar.

Täter rassistischer Verbrechen legitimieren ihre Gewalt, sie suchen
Schuld für gesellschaftliche Missstände bei „den Anderen“. Sie sehen
sich selbst dazu befugt, mit Gewalt oder Mord zu richten.
Gesellschaftliche Debatten, in denen beispielsweise Geflüchtete für
Probleme verantwortlich gemacht werden, geben den Tätern die
Rechtfertigung dazu. Rassismus ist ein tief sitzendes Problem in unserer
Gesellschaft. Rassismus fördert Ungleichbehandlung, Gewalt und Morde.
Rassismus wird von vielen geschürt, verbreitet und geduldet. Am selben
Tag, an dem Arkan Hussein Khalaf ermordet wurde, wurde ein Geflüchteter
aus Syrien in den Medien stellvertretend als Sündenbock für alle
dargestellt, die sich nicht an die Corona-Kontaktbeschränkungen halten.
So etwas ist keine Ausnahme, sondern alltäglich.
Nachdem die Meldung vom Mord in Celle veröffentlicht wurde, vermuteten
Kommentar-Schreiber sofort einen „Gast“ als Täter. Nach Meldung einer
deutschen Staatsangehörigkeit wurde sofort nach dem Vornamen gefragt,
erst dann könne man sagen, ob es wirklich ein Deutscher war. Diese
Erwartungen in den Köpfen sind Rassismus.

Die Staatsanwaltschaft vermutet psychische Erkrankungen des Täters
Daniel S. Wir halten es für einen Fehler mit diesem Verweis vorschnell
einen möglichen rassistischen Hintergrund kleinzureden. Psychische
Erkrankungen sind kein Widerspruch für ideologische Motive.
In dieser Situation braucht es mehr denn je klare Statements aus Politik
und Gesellschaft: gegen Gewalt, gegen Mord und gegen Rassismus. Es
braucht klare Zeichen der Solidarität an die Familie und die Bekannten.
Und es braucht Einschreiten statt Zusehen, sowie ein klares Bekenntnis
zu einer Stadt, in der es keinen Platz für Rassismus und Ausgrenzung
gibt – ein Bekenntnis zu einem gleichberechtigten Miteinander. Wir
fordern eine gesellschaftliche Aufarbeitung der mörderischen Gewalttat
und machen hiermit einen ersten Schritt, indem wir als Organisationen
und Initiativen gemeinsam dazu aufrufen.

Unsere Gedanken sind bei der Familie von Arkan Hussein Khalaf, der wir
in diesem Moment und für die kommende Zeit unser Beileid und viel Kraft
senden.


Êzîdischer Frauenverein „Hêvî – Hilfe für Frauen in Not“
Êzîdischer Frauendachverband SMJÊ
NAV-YEK Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V.
MŞD – Rat der Êzîden aus Şengal in Europa,
MCÊ Mala Êzîdiya Celle/Êzîdisches Kulturzentrum Celle e.V.
HCÊ Bündnis der Êzîdischen Jugend e.V.
VVN-BdA Celle
Buntes Haus Celle
Gemeinsam Kämpfen Celle
Antifaschistische Linke Celle
Fridays for Future Celle
Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus
 

Celle, den 10. April 2020